Alte Bank und junge Frau
In einer stillen Parkecke stand eine alte Holzbank. Die Oberfläche war rau und von der Witterung gezeichnet. Ihre Schrauben knarrten, wenn sich jemand niederließ. Jahrzehnte hatte sie schweigend die Jahreszeiten überdauert. Das Kommen und Gehen unzähliger Menschen ertragen. Es waren herumtollende Kinder und alte Menschen, die über ihren Lebensabend sinnierten. Doch die Bank hatte nie eine Stimme, keine Wahl und kein Urteil, bis Sie eines Tages kam. Die junge Frau mit ihrer schweren Last.
Es war ein grauer Herbsttag, als sie zum ersten Mal erschien. Ihr Gesicht war von Sorgen gezeichnet. Die Schultern hingen tief und in ihren Augen schimmerte etwas, das die Bank nur allzu gut verstand – Müdigkeit. Ohne ein Zögern ließ sie sich nieder, genau in der Mitte, dort wo das Holz bereits glatt und eingesessen war. Ein schwerer Seufzer entwich ihr, während sie einen abgenutzten Rucksack auf den Boden stellte.
Die Bank spürte, wie sie sich kraftlos auf dem alten Holz nieder setzte. Es war, als würde die Last, die sie trug, nicht nur die ihres Körpers war, sondern auch die ihrer Seele. In den folgenden Tagen wurde die junge Frau der Bank zur Gewohnheit. Sie erschien täglich, immer zur gleichen Zeit. Manchmal blätterte sie in einem zerknitterten Buch, das sie wiegend in den Händen hielt und mit leeren Augen anstarrte. Oftmals redete sie leise vor sich hin.
Die Bank fühlte das Gewicht ihrer Worte. "Ich weiß nicht mehr weiter", flüsterte die Frau eines Abends, als die Sonne bereits hinter den Bäumen verschwand. "Es fühlt sich an, als würde ich zerbrechen."
Die Bank, alt und weise, hätte antworten wollen. Doch sie konnte nur tun, was sie immer getan hatte, dasein. Sie trug, was die junge Frau nicht mehr tragen konnte. Ihre Risse schienen sich zu vertiefen, ihre Latten knarrten lauter, doch sie hielten.
Eines Tages, mitten im Frühling, kam die junge Frau mit einem Lächeln. Es war ein kleines, feines fast unscheinbares Lächeln. Doch die Bank spürte, daß es echt war. Die Frau setzte sich wie immer, aber diesmal war sie leichter. "Danke", flüsterte sie unmerklich, als spräche sie direkt zur Bank.
Von diesem Tag an kam sie immer seltener. Und irgendwann blieb sie ganz fort. Doch die Bank fühlte keinen Verlust, sondern eine stille Zufriedenheit. Sie hatte all' das getragen, was getragen werden mußte und die junge Frau hatte gelernt auf eigenen Beinen zu stehen.
Die Bank blieb an ihrem Platz, in der stillen Ecke des Parks, bereit für den Nächsten, der sie brauchen würde. Denn ihr Zweck war nicht zu klagen oder zu urteilen, sondern zu tragen. Die leichten und die schweren Lasten der Menschen.
© Bild und Novelle by HerrWortranken
033 |2025| ©HW