03 September 2025

FICTIO TEMPORIS

 
"esse an non esse"





FICTIO TEMPORIS 
(fiktion der zeit) 

Die Götter gaben uns die Zeit; sie ließen uns wenigstens daran glauben. Wir messen sie an den Schatten, die wandern, an den Kreisläufen der Sonne und am Verblühen der Jahre. Sie scheint uns Halt zu geben, Ordnung, Richtung. Doch was ist diese Gabe wirklich? Ist sie eine Substanz, die unabhängig von uns existiert, oder nur ein Bild, das unser'n Geist formt? 

Wäre die Zeit wirklich existent, so müsste sie unendlich sein. Denn was in sich selbst existiert, kennt keinen Anfang und kein Ende. Doch Unendlichkeit bedeutet Unsterblichkeit. Und wir Menschen sind sterblich. Wir vergehen, wir altern, wir schwinden. Gerade diese Endlichkeit verrät; 
Die Zeit kann nicht das sein, für das wir sie halten. 

So entlarvt sich die Zeit als ein Hilfsbegriff. Wie eine Variable in einem Beweis wird sie eingeführt, gebraucht und am Ende gestrichen. Sie ist keine Realität, sondern ein Werkzeug, das wir benutzen, um Wandel zu ordnen, Vergänglichkeit zu deuten, Erinnerungen und Erwartungen zu verknüpfen. Ohne sie würden wir im Chaos der Erscheinungen versinken, doch sie selbst hat keine Substanz. 

In Wahrheit gibt es nur Sein und Nichtsein. Was wir "Zeit" nennen, ist nichts anderes als die Art, wie wir dieses Wechselspiel empfinden. Die Götter gaben uns nicht die Zeit, sondern die Illusion davon, damit wir unser Leben in Bahnen sehen, um dem flüchtigen Dasein Gestalt zu geben. 

Wenn wir dies begreifen, verliert die Zeit ihre Tyrannei. Dann ist das Leben nicht mehr eine Kette von Stunden, die uns von der Geburt bis zum Tod fesselt. Es wird zur Gegenwart. Jeder Augenblick enthält die Fülle des Ganzen. Die NichtExistenz der Zeit schenkt uns die Freiheit, das Leben nicht in Länge, sondern in Augenblicken zu messen. 

So zeigt sich: 
Die größte Gabe der Götter ist nicht die Zeit selbst, sondern die Einsicht, dass es sie nie gegeben hat. 





©text by @HerrWortranken      

0451 | 2025| ©HW    

01 September 2025

PARABOLA




© by rewe–KI


 

PARABOLA 
(gleichnis) 


Wer auf Harfensaiten swingt 
 
Und dabei sehr reizend singt 
 
Das Gerät mit Schenkeln hält 
 
Spürt das Gegenteil von Kält' 
  
Angezupft und sanft gestreichelt 

Dann erlebst du wie es speichelt 

Dir wie Regenguss im Mai 

Fühlst dich dann als wärst du frei 

Von all' sauren Moralisten 

Die ohn' Herz nur nach ihr'n Listen 

Ohne Sinn und fernab Freuden 

Alle Emphatie vergeuden  





© Text by @HerrWortranken    


0447| 2025| ©HW